Literatur besteht nicht aus Büchern, weder aus papiernen noch aus digitalen. Literatur besteht aus Romanen, Sonetten, Erzählungen, Novellen, Oden, kurz aus Werken, abgeschlossenen, nach bestimmten ästhetischen und inhaltlichen Gesichtspunkten organisierten Gebilden, die eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen, nur aus sich selbst verstanden werden und auch auf nichts anderes reduziert werden können. Um ihre jeweilige Gestalt, diese unverwechselbare Physiognomie, die aus einer besonderen Sprache und aus dem besteht, wovon diese Sprache spricht, ist es jedem wirklichen Schriftsteller zu tun. Diese besondere Physiognomie unterscheidet Literatur von all den Tagebüchern und Filmvorlagen, die man ansonsten zwischen Buchdeckel pappt und Roman nennt. (...)
Nachlesenswert:
Wolfdietrich Schnurre: Emil und die Direktiven.Frankfurt a.M. 1985
(...) Mit anderen Worten: Man fängt an, sich ernsthaft mit Kinderliteratur zu beschäftigen. Und man vergleicht: Kinderliteratur früher- Kinderliteratur heute. Meine schönsten Kinderbücher waren zum Beispiel aus dem Russischen übersetzt; und als Bibliothekar wählte mein Vater immer ungemein sorgfältig aus. Logisch, dass das Maßstäbe setzte, dass man da auch selber wählerisch wird. Erst recht, wenn man begriffen hat, wie wichtig das Kinderbuch ist; und zwar sowohl, was seine Thematik betrifft, als auch seine Gestaltung. Denn beides schießt im kindlichen Konsumenten ja nicht zur ersten Begegnung mit Literatur, zum ersten Kontakt mit Kunst (der Bebilderung, der Graphik); sondern auch zu einem psychischen Refugium, zu einer Art geistiger Heimat zusammen, auf die man zurückgreifen, in der man sich einrichten kann. Das Kinderbuch ist die Eremitenklause seines Benutzers. Hier darf er sich noch einen Augenblick ausruhen, hier darf er noch ein paar Atemzüge lang der Illusion anhängen, verstanden zu werden, geborgen zu sein, ehe die große, weltliche Hetzjagd beginnt. Das gute Kinderbuch allerdings- das originelle, das phantasiebeflügelnde, das komische, das skeptische - es hat sich andere Ziele gesteckt. Es begleitet das Kind. Es ist unstatisch, eine brummende Hummel. Es ist nie auf den ganzen, immer nur auf eine Strecke Wegs konzipiert. Und es ist immer bereit, sich ablösen zu lassen; es hat keinen Anspruch auf Dauer. Will auch die Richtung nicht weisen. Möchte lediglich, Schritt für Schritt, weltkundig machen; ein Partikelchen Leben erklären. (...)
Dass neben dem Kinder- auch das Jugendbuch Berücksichtigung fand, liegt, bei den ineinanderfließenden Grenzen dieser beiden Nachbargebiete und aus Respekt vor den Gremien, die sie gezogen haben und noch immer bewachen, ja wohl klar auf der Hand. (...)
Felde, bei Kiel, Juli 1985 Wolfdietrich Schnurre
"Lesen Kinder Romane? Sie lesen jeden, an den sie herankommen. Lesen Kinder Kinderromane? Keineswegs jeden. Man brauch nur einen knappen Nachmittag in der Nähe einer Bibliotheksausleihe zu verbringen, gleich verblassenen die hochgestochenen Kriterien der Erwachsenen zu erbaulichem Falschgeld. Dass das Kind unterhalten sein will, liegt auf der Hand. Aber was will es noch. Es will, dass etwas passiert. Es will, dass die Handlung aus den Nähten kracht. Es will Wirklichkeit; seine und die der Erwachsenen. Es will Probleme; auch ungelöste. Es will sich den Kopf zerbrechen. Es will Anteil nehmen. Es will aufs Glatteis geführt werden. Man soll ihm mit Ansprüchen kommen. Es will einsteigen können. Es will mitmischen. Sich identifizieren. Herzklopfen kriegen. Vor Aufregung die Schularbeiten vergessen. Will die Liebe, die Verzweiflung, die Trauer wiedererkennen. Will Humbug, Nonsens, Heiterkeit finden. Nur eben: Interessant soll es sein und anspruchsvoll und verständlich. (...) "
ders., zit. aus: Rosa, Arbeitergespenst (S.141)
und ders. Emil und die Direktiven (S.107ff) - Vortrag zur Verleihung des Deutschen Kinder- und Jugendbuchpreises
Arne Ulbricht:
Wie finde ich (k)einen Verlag - Oder Anleitung zum Verrücktwerden - eine autobiographische Reportage in fünf Akten über den vergeblichen Versuch, ein Buch zu veröffentlichen (in: SZ vom 05.10.2010, S.14)
Hans-Joachim Gelberg die Wörter die Bilder das Kind Über Kinderliteratur Weinheim 2005, S.21
(...) Natürlich sollte man den Markt nicht zum Maßstab machen. Der Markt ist hungrig und schnappt wie ein Hund nach der Wurst, nichts anderes will er nämlich. (...)
Auch immer wieder zum Gedenken an Manfred Bofinger... DMJ: Mein Papa ist ein Ritter 1992 zitiert aus Duderstadt/Peltsch: Wörterwelten-Bilderwelten. Berlin 1995 Plötzlich ist Titus ganz allein: Sein Papa ist fort, die Mama redet nicht mit ihm,und die Freunde gehen ihm aus dem Weg. Er muss erfahren, was es heißt, "ausgegrenzt" zu sein. "Sie tuscheln und stecken die Köpfe zusammen. Wenn er sich ihnen nähert, dann verstummen sie plötzlich. Seit vielen vielen Wochen schon. Seit Papa auf der BURG ist. Seit er ein Ritter ist."Der Junge Titus wappnet sich gegen die vorurteilsschwangere Tuschelei der anderen und deren Eltern mit einer für ihn logischen Vatergeschichte:Mein Papa ist ein Ritter!So muss er folglich einige Kämpfe bestehen, bevor er nach Hause zurückkehren kann. Sein Märchen ist eine Mischung aus "Dornröschen", Ritterturnieren und Drachenkampf, gemixt mit Details aus der Gegenwart, die den Vater nicht ausschließlich als Helden darstellen. So schafft sich das Kind eine eigene Burg aus märchenhaften Abenteuern, die der abwesende Vater - auf höchst unritterliche Weise, aber dennoch- erfolgreich besteht. Mit dem Entwurf einer Wirklichkeit, die ihm den väterlichen Verlust erträglich macht, schützt Titus sein Vaterbild und vor allem sich selbst.So entpuppt sich Titus als der eigentliche Held der Geschichte. Indem er die Abkehr der anderen durch seine spannenden Ritter-Vater-Abenteuer durchbricht, wächst sein eigenes Ich.Die pointiert gesetzten komischen Schwarz-Weiß-Illustrationen Manfred Bofingers, die die Figuren mimisch und gestisch auf Wesentliches reduzieren, schaffen zusätzliche Spannungsmomente. Wohin dieser Vater letztlich verschwand, lässt die Autorin weitgehend offen, so dass genügend Raum bleibt für die Ausbildung eigener Vorstellungen und verborgener Verlustängste.Der eigentliche Anfang der Geschichte, ans Ende gesetzt, bietet noch einmal verschiedene Ansatzpunkte und Vorurteile über den Grund des Verschwindens und/oder über den Aufenthaltsort des Vaters. Die Geschichte könnte natürlich auch so eingeführt werden, böte dann aber schon zu viele Einschränkungen für die Phantasie der Leser oder Zuhörer. Die offenen Phantasien des Haupttextes ermöglichen, eigene Vatercharakteristiken, Vaterbilder und Wunschvorstellungen von Vätern zu entwickeln.Wenn dein Papa einem ganz schönen Dornröschen begegnete, das ihn heiraten wollte, was würde er da machen? Wenn dein Papa auf einen Drachen oder auf den Ritter mit der Eisenhand träfe, wie wüsste er sich zu helfen? In welchen gefährlichen Situationen könntest du dich ganz doll auf deinen Papa verlassen, oder wann würde er lieber davonrennen? Was täte denn Mama, wenn sie von solchen Geschichten hört,in die Papa verstrickt ist? Oder wie würde sie sich in einer ähnlichen Situation verhalten? Überlieferte Abenteuer- und Märchensituationen, die den kindern vertraut sind, bieten eine phantastische zweite Ebene, auf die sich die Kinder mit ihren Phantasien, Wünschen und Ängsten sehr viel leichter einlassen können als auf direkte Aussagen zu Familiensituationen, die sie stets verschummeln werden, falls sie ihnen wehtun. Die Märchenebene bietet den Kindern Verstecke, aber auch Öffnungsmöglichkeiten und den beteiligten Erwachsenen ungewohnte Einblicke, wobei es auch für sie gut ist, sich in solche phantsatische Gefilde zu träumen und mit den Kindern gleichberechtigt zu spielen.(Claudia Rouvel)
Birgit Dankert: Verramschte Mythen (in: Die Zeit vom 30.09.2010, S.54)
Susanne Gaschke: Der totale Hype. Härter als "..." kann man ein Textprodukt nicht verkaufen. (in: Die Zeit vom 30.09.2010, S.54)
Maren Keller: Der Außenseiter. In: Kulturspiegel 12/2010 S.11ff
" (...) Denn er ist der nette Außenseiterjunge von nebenan, die Urfigur aller guten Jugendromane. Endlich ist er zurück nach all den Werwolf-Vampir-Zauberlehrlings-Geschichten, von Harry Potter bis zu Stephenie Meyers blutleerem Vampir.(...)"
André Schiffrin
Verlage ohne Verleger- Über die Zukunft der Bücher - Mit einem Nachwort von Klaus Wagenbach
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2000
Klaus Wagenbach
Die Freiheit des Verlegers - Erinnerungen, Festreden, Seitenhiebe
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2010
* Cast3llo- Sekundärliteratur
Deutsches Jahrbuch für Autoren Autorinnen 2010/2011 Autorenhaus Verlag
Clark, Roy Peter: Die 50 Werkzeuge für gutes Schreiben Autorenhaus Verlag
Ortheil, Hanns-Josef: Die geheimen Stunden der Nacht Roman btb
Vargas Llosa, Mario: Briefe an einen jungen Schriftsteller Suhrkamp
Zopfi, Christa und Emil: Leichter im Text Zytglogge Verlag
Thema "Kinder- und Jugendliteratur" schlage nach bei: FACHPORTALpaedagogik.de
2011 1.Auflage 20 Jaouer Eechternoacher Kannerstuf a.s.b.l.: Echternach - siehe S. 165ff, aus "Nix wie weg" wird zitiert (Stadtführung) von Martine Wiekowolsky (guide touristique von Echternach)
Leseempfehlungen für den Unterricht auch unter "Antolin"